Ansichten eines  fast  normalen Bürgers
Victor Hugbald im Gespräch mit hajo. Dreyfuß
 
Öl-Pest
   
VH :Das gesunkene Tankschiff vor der gallizischen Küste verursachte eine immense Verseuchung großer Küstenregionen ...
hajo. :... und wie immer waren alle völlig überrascht. Es war für Europa ja auch erst die sechste bedeutende Ölpest innerhalb von dreißig Jahren ...
VH :Kein Dritteljahr drauf sank im Ämelkanal ein Transportschiff, das sich partout nicht bergen lassen will. Obschon es dort wirklich stört und auch dort Treibstoff ins Meer sickert, hat es uns ebensowenig eine Ölpest an den nördlichen Küsten beschert wie der kurz drauf hängengebliebene Tanker im Kattegat.
 Angesichts der Tatsache, daß die Tankschiffe immer älter und solche Unglücke immer wahrscheinlicher werden: Glaubst Du eigentlich, daß nun endlich doppelwandige Tank- und Fracht-Schiffe zur Pflicht vor europäischen Küsten werden?
hajo. :Nicht wirklich. Wozu denn auch? Wenn das jemand wirklich wollte, wäre das schon längst geschehen. Nein, wenn so einfache Vorkehrungen so lange ausbleiben, dann vermute ich eine direkte Absicht dahinter.
VH :Bis eben noch glaubte ich an puren Geiz als Ursache, nicht aber an ein Motiv. Was für eine Absicht sollte das denn Deiner Meinung nach sein?
hajo. :Das ist doch wirklich einfach. Denke bitte einmal an Deine Wohnung.
VH :Was hat denn meine Wohnung mit dem Meer zu tun?
hajo. :Hast Du Auslegware?
VH :Ja, natürlich habe ich Auslegware. So ein richtiger Teppich kostet ja ein Heidengeld. Und dann paßt er doch nie genau ...
hajo. :Eben. Ein Teppich ist ja auch eigentlich zum Vorzeigen da, nicht wirklich zum Gebrauch. So ein Teppich ist wohl eher ein Prestige-Objekt. Nicht wahr?
VH :Ja, stimmt. Das kann sich einer wie ich nicht wirklich leisten. Aber was hat das denn mit ...
hajo. :... der Ölpest zu tun? - Na, ganz einfach:
  Die Industrie-Nationen Europas leisten sich den teuren Luxus eines eigenen maßgefertigten Teppichs. Natürlich auch in einer Länge, die sich Andere nicht leisten können: Bei tausend Kilometer fängt der wahre Luxus erst an.
 Und selbtverständlich ist das gute Stück direkt aus Öl, wie all unsere Kunststoffe auch. Daraus machen wir Benzin und Diesel, Gas für die Feuerzeuge, Schallplatten, Gummistiefel und ökologisch korrekt abwaschbare Frischhalte-Folien. Das gute alte Erdöl ist bekanntlich der Grundstein unserer Industrie. Und es gibt einfach keine protzigere Art des Umganges mit einem Rohstoff, als ihn ganz offensichtlich sinnlos zu vergeuden.
 Amerika ist im begriff, einen Krieg ums Öl anzustiften. Europa indes zeigt seinen Reichtum: Ein tausend Kilometer langer Teppich aus Öl empfängt westliche Besucher von Meeres-Seite. Ich sage Dir: Das ist keine Katastrophe, das ist ein reines Prestige-Objekt. Das bißchen Umwelt schert uns doch nicht lange, und niemand hört uns jemals über den Verlust des Rohstoffs klagen. Glaubst Du wirklich, ausgerechnet ein Schiff mit dem schönen Namen "Prestige" hätte rein versehentlich sinken können?
VH :Hätte ich doch bloß nicht davon angefangen ...
Januar 2003