Ansichten eines  fast  normalen Bürgers
ein Kommentar von hajo. Dreyfuß

"Mein Führer"
oder: "Schon wieder ein Hitler-Film".
 
NSDAP-Transparent 1935: 'Denn Du bist Deutschland'

"Sex Sells - Hitler Hits." Wenn der Produzent eines Hitler-Filmes zudem noch bekennender Jude ist, und wenn er überdies verspricht, den Portraitierten der Lächerlichkeit preiszugeben, dürfte sich dieses schlichte Motto wohl einmal mehr bewähren. Um das Medienrauschen zu diesem weltbewegenden Ereignis auch an diesem Rande zu wahren, werden hier endlich die beiden wesentlichsten Fragen gestellt, ohne die unsere Welt nämlich unweigerlich verarmen müßte:

1.  Darf man über Hitler lachen?
2.  Darf man jüdische Witze erzählen, ohne Jude zu sein?

Die nachfolgenden spontanen Eingebungen des Autors sind nicht etwa endgültige Antworten auf diese (doch sehr komplexen, bedeutsamen, kontextabhängigen und nur höchst differenziert zu betrachtenden) Fragen, sondern etwas Dekoration, aufdaß die Fragen nicht so alleine dastehen.

Darf man über Hitler lachen?

Keinesfalls. Schon diese Frage sollte tabu sein.

Schließlich war der GröFaZ ja nicht etwa ein geltungssüchtiger Gernegroß, der wild mit dem "R" rollte, um irgendwie mindestens so gefährlich zu wirken wie sein Hündchen. Stattdessen war einmal in einem untergegangenen Reich ein dämonischer VerFührer, dessen übermächtig magische Ausstrahlung ein ganzes unbescholtenes Volk kreuzbraver Leute heimtückisch ins jähe Verderben lockte, so wie vor ihm der Rattenfänger die Hamelner Kindelein, und keiner nach ihm hat jemals dieses Maß an Bosheit erreicht. Als der diabolische Schurke eines Maientages endlich starb, waren alle froh, denn die vielen kleinen braunen Männchen, die ihm gehuldigt und schreckliche Dinge getan hatten, krabbelten allesamt in ihre Raumschiffe und waren seither nie wieder gesehen. Diese grausige Mär kannte noch vor wenigen Jahrzehnten jedes Kind, und es ist nun einmal keine Lachgeschichte.

Überhaupt: Ein armseliger Hanswurst mit Little-Man-Syndrom und Allmachts-Phantasien, dessen ästhetischer Feinsinn schon unter Wagners Akkorden zart erbebt, ist nicht komisch. Hunderte kleinmütige Familiendespoten, die ihr arisch blondes Haar zur Popelbremse stutzen und mit Schuhcreme dunkel färben, um sich im Abglanz fremden Ruhmes männlich zu fühlen, sind nicht lachhaft. Und wenn ein Zwerg das Land der Wichte und Stänker zum Reich der Riesen erklärt, das weizenblau und himmelblond gestrichen werden müsse, dann wird ja nicht einmal ein anständiges Märchen draus.

Und außerdem: Wer den deutschesten aller Österreicher als fanatisch verrannten Bengel (oder gar als trotzigen kleinen Rotzlöffel) hinstellt, dessen verquaste Hirngespinste ohne massives Sponsoring aus der Rüstungsindustrie wohl kaum mehr als ein paar kuriose Meldungen in den Lokalnachrichten verursacht hätten – der spottet ja nicht etwa endlich mal über einen stramm aufgeblasenen Haustyrannen, der vor über sechzig Jahren mit einem trockenen Knall aus der Welt schied.
Nein, in Wirklichkeit verhöhnt so jemand nämlich ganz perfide die Opfer. Das klingt nur paradox, weil der tiefere Widersinn keinen Zusammenhang bildet. Allein wo das Wort 'Opfer' fallen könnte, ist jeder Anflug von Heiterkeit unangemessen. Denn schließlich waren alle Opfer eines einzigen Täters. Das ist so wahr, wie es logisch ist. Und es ist erst recht nicht ulkig.

Nun könnte ein neunmalkluger Naseweis zwar behaupten, Lachen befreie. Und deshalb würden ausgerechnet Diktatoren nichts mehr fürchten als das Lachen, die Satire und den Spott. Aber wenn wir schon deshalb Hitler verlachen wollten – und mit ihm all die anderen, die bei "Herrschaft" an Macht denken statt an Verantwortung – dann hätten wir viel zu tun.

*

"Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Spaß gebracht." So ähnlich schrieb schon Heine. Denn die Gestalten, die deutsche Geschichte gestalten, sind entweder historisch, bedeutend, schrecklich oder noch am Leben. Aber keinesfalls zum Lachen. Die deutsche Gemütlichkeit ist weltbekannt, aber beim Humor hört der Spaß auf. Deshalb sollte ein Ausschuß – nein, besser noch ein Gericht – schnell und genau entscheiden, daß ich völligst recht habe, wenn ich verlange:

Diese Frage sollte verboten werden.

Dreyfuß erklärt einen Witz
(mit leichtem jiddischen Akzent zu lesen)

Also, nu hört mal alle her, ich will Euch nämlich erzählen einen schönen Witz. Für die ihn nicht begreifen, werd ich ihn auch erklären danach. Und ich mach es auch schön ausführlich, so wie sich's gehört. Außerdem ist der Witz schon etwas älter, das paßt zu mir, aber ich hoff', ich bring ihn noch richtig zusammen.

*

Also, der Schwarz (der ist Fabrikant), der trifft den Weiß (der ist von Adel) und gleich jammert er ihm auch schon was vor: er fühlt sich ja so arm, weil er wär doch gerne noch viel reicher. Dem Weiß geht es auch gut, er kann genauso schön jammern: er fühlt sich nicht recht, weil er hätte ja so gerne wieder ein paar Untertanen, und wenn's auch nur wären ein paar ganz kleine. Dann kommt der Rot dazu (der ist nix Anständiges geworden, also spielt er jetzt General) und der kann erst was jammern: seine Ohren wären doch so schlecht, und seit es in der Welt nicht mehr kracht und scheppert, fände er sich ja gar nicht mehr zurecht, weil alles wär' viel zu leise für ihn. Und der Schwarz muß seufzen, beim Volk sei nu garnix mehr zu holen, da kann man nichts machen. Und der Weiß muß seufzen, der Staat sei viel zu demokratisch, da kann man nichts machen. Und der Rot muß seufzen, der letzte Krieg sei ja eben erst verloren, da kann man nichts machen.

Und wie sie da so schön beisammenstehen und seufzen und wehklagen, da schimpft sich der Braun an ihnen vorbei (der ist ein bißchen meschugge, jammert zwar nie, aber dafür schimpft er umso mehr). Der haßt jeden Zehnten, den er trifft (warum, das weiß er selber nicht), und heute ganz besonders den Gelb (dabei kennt er den nicht einmal). Wenn der Braun könnte wie er wollte, schimpft er also, ja dann würde er den Gelb am liebsten gleich ausplündern, und dann kräftig knechten und am Ende erdrosseln. Das kann er aber nicht, denn eigentlich kann er gar nichts so recht, außer eben schimpfen. Nun, die Gründe sind bekannt.

Da schaut der Schwarz den Weiß an, und der Weiß schaut den Rot an, und der Rot den Schwarz – und dann nehmen sie ganz schnell den kleinen meschiggen Braun und stopfen ihn auf einen alten Thron (und pumpen ihn etwas auf, damit er ein bissel größer aussieht). Dann malen sie eine neue Fahne, mit schwarz und weiß und rot, hängen sie direkt über den Thron, und fertig ist das neue Reich. Das geht so schnell, da hat fast keiner etwas davon bemerkt.

Und schon kurze Zeit darauf wird der Gelb arm und der Schwarz wird reicher. Und der Braun wächst. Und der Gelb wird Knecht und ein Nachbar auch, und der Weiß bekommt neue Domestiken. Der Braun schwillt derweil beachtlich. Und als der Gelb stirbt, da kracht es allenthalben ganz gewaltig, und der Rot kennt sich wieder aus und kann sogar reisen.

Nun quillt der meschigge Braun aber nicht ohne Grund. Die Drei haben nämlich ganz vergessen auf die Pumpe. Die steht immer noch unter dem Thron, aber sie steht immer noch nicht still. Und als ihnen das endlich einfällt, da ist natürlich schon alles viel zu spät: Der Braun schimpft immer lauter und wird immer strammer, und dann plötzlich platzt er, und überall knallt es, und die Häuser fallen alle durcheinander, und dann ist alles futsch.

Naja, nur fast alles: Der Schwarz hat ja noch ein paar kleine Fabriken übrig. Und dem Weiß bleiben noch ein paar Landhäuser, die sind nicht umgefallen. Und der Rot hat immerhin noch ein paar Aktien. Damit da aber niemand kommt und sieht sich das genauer an und merkt vielleicht noch was, darum stellen sie sich brav nebeneinander, so mit gesenktem Kopf als ob sie sich schämen würden, und dann machen sie jeder einen langem Finger zum Thron (dahin, wo noch hängen die letzten Fetzen vom geplatzten Braun) und dann sagen sie im Chor: "Der war's!" Dann malen sie eine neue Fahne, mit ganz neuen Farben, legen die einfach über den Thron mit dem ganzen Schlamassel, und fertig ist die Republik. Das geht so schnell, da hat fast keiner etwas davon bemerkt.

Ihr wollt wissen, wo denn daran der Witz ist? Nun, der kommt ja gleich.

Also, der Witz ist natürlich, daß nichts im ganzen Lande war weiter entfernt von der eigentlichen Macht als ausgerechnet der Thron. Und daß die vielen Untertaten sind zwar immer hübsch herumgehüpft und haben brav "Brrrat Brrraun!" gequakt, aber nicht einmal der Allerdümmste von denen hat je irgendwas gegeben auf den Unsinn, den der Braun so hat hinausgeschimpft in die schöne Welt. Und natürlich auch, daß sie alle haben immer ganz begeistert getan, so als ob sie das mit der Macht und dem Unsinn gar nicht wüßten (natürlich nur, damit sie können irgendwas abbekommen von den geraubten Schätzen vom Gelb und vom Nachbarn). Und schließlich das beste war, daß nur der kleine dumme Braun hat von alledem so gar nichts mitbekommen, und daß er selber war der einzige weit und breit, der ihm überhaupt hat zugehört. Und auch, daß das alles wirklich so lange ging, bis er war geplatzt.

Gut, ich muß ja mal zugeben, dieser Witz geht auf Kosten von Anderen. Aber bis hier ist das ja auch ein deutscher Witz.

Die Geschichte ist ja auch noch gar nicht zu ende. Also, in Wirklichkeit hat natürlich niemand übersehen, wie der Braun ist gekommen auf den Thron, und wer hat profitiert davon, und was der Schwarz und der Weiß und der Rot so alles haben angestellt mit dem Gelb und dem Nachbarn. Und so haben sie alle Drei ihre gerechte Strafe bekommen, und sie mußten alles reparieren und auch viel bezahlen und bitter büßen. Und deswegen, weil das so ausgegangen ist und nicht anders, kann uns soetwas heutzutage niemals passieren. Nicht in einer Demokratie. Nicht hier und auch nicht in Amerika.

Uns sagt kein Schwarz, er braucht noch viel mehr Profit, und darum muß nun jemand werden ärmer. Und kein Weiß ist zu sehen, der einen bräuchte unter sich, den er kann knechten und treten und schinden. Und kein Rot sagt, daß er kann das alles nicht mehr hören, und wir müßten gehen und verteidigen unsere Heimat in der Ferne. Und kein Braun bekommt hier eine Pumpe in den Po. Das würde doch allen gleich auffallen, und ach, was gäbe das für ein Geschrei! Und deswegen ist diese böse alte Geschichte am Ende nun doch geworden ein gutes altes Märchen zum Schmunzeln, so eins über einen kleinen dummen Ochsenfrosch, der ist einfach geplatzt. Und davon ist die Welt geworden ein kleines Stücklein besser. Das erzählen wir unseren Kleinen, damit sie können gut einschlafen und dabei was vernünftiges lernen.

Naja, ein ganz kleines bißchen schadenfroh sind wir dann ja doch mit dem armen kleinen meschiggen Braun, wie er da so auf seinem Thron sitzt und immerfort schimpft und wird immer praller – und hat als einziger von allen die Pointe nicht begriffen.

Natürlich wird der Witz dann erst lustig, wenn alle mal für eine kleine Weile so tun, als kennen sie ihn noch gar nicht, und als ob sie das auch gar nicht können begreifen. Und dabei immer nur auf den Thron gucken und nicht darunter, wo die Pumpe steht. Oder auf den Braun und nicht dahinter, wo der Schlauch von der Pumpe steckt. Und dann freuen sich alle, wenn sie in der Geschichte wieder wird genannt.

Ja, und das ist ja auch so schön bei dem neuen Film von Dany Levi: Die Kamera geht ganz nahe heran und zeigt uns den meschuggen Braun, auf dem Thron, sogar, wie er sich den Po kratzt. Ganz ausführlich. So als wenn noch niemand den Witz würde kennen. Und das kleine Stückel Schlauch, das ist manchmal dann doch im Bild, aber natürlich ganz heimlich, am Bildrand.

*

So, jetzt habe ich Euch also erklärt einen Witz. Macht nichts, wenn jetzt keiner lacht. Es war ja lang genug gewesen. Und ist auch nicht schade, daß ich jetzt vorgesagt habe die Pointe, weil darauf kommt es ja nicht an. Übrigens mag ich das sehr am jüdischen Humor, daß man kann seine Freude haben an einer Geschichte. Da muß sich keiner schlagen auf die Schenkel und brüllen, daß Du nicht weißt, hat er sich nun verletzt oder freut ihn die Pointe. Man schmunzelt einfach leise, weil man hat sie ja schon längst verstanden.