Ansichten eines  fast  normalen Bürgers
Ein Hirnlüftchen von hajo. Dreyfuß

Bilder aus der Wiederholungs-Sparte der Geschichte:

Wütende Männer verbrennen ein Stück Tuch, weil jemand woanders einen Mann mit einem Tuch …
… um den Kopf … … um den Leib … … um die Hüften …
MoToons - Proteste wegen Mohammed-Karikaturen DalaiLympics - Proteste wegen Ehrung des DalaiLama Protestants - Proteste wegen gefundenen Anlasses
… in einer Zeitung gezeichnet … … in ein Buch eingetragen … … auf dieser Website erwähnt …
… hat. (Bekanntlich eine ungeheuerliche Verletzung religiös-patriotischer Gefühle.)

Die Männer mit den Tüchern haben etwas mit Theokratie zu tun, also jenem unbequemen Bereich, wo Religion politische Macht beansprucht. Die Olympischen Spiele hingegen haben etwas mit Leistungssport zu tun, also jenem unbequemen Bereich, wo Wasch- und Jammerlappen nicht hingehören. Und eigentlich hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Eigentlich. Obwohl – gewisse Berührungspunkte gibt es ja schon.

Zum Beispiel bei der schönen deutschen Erfindung des Fackellaufs. Für die Einen ist es (seit 1936) die Heilige Flamme, für die Anderen (seit 2008) der wahrscheinlich längste Spießrutenlauf der Welt. Collage Fackellauf - Läuferin, Torchguards, Weltkarte mit Route
Auch hier wird eigens mitgebrachtes Tuch hervorgeholt …
… mal schwarz … … mal rot … … mal schön bunt …

(… diesmal wegen unerträglicher Verletzung demokratisch-humanistischer Gefühle.) Diese Tücher werden allerdings nicht abgefackelt. Im Gegenteil, stets werden sie sorglich durch modisch-sportive Männer vor der fordernden Lohe geschützt.

Was haben nun Sport und bunte Tücher gemein? Eigentlich nur dies: Leztere werden gern gehisst und geschwenkt, wenn ersterer stattfindet. Das sieht meist ganz hübsch aus, und es stört eigentlich nur die, denen ein Fähnchen den direkten Blick verwehrt.

Ansonsten lenken die vielen Bildchen und Tüchlein nur vom Wesenlichen ab: vom Sport nämlich, besser noch, von dem sportlichen Ereignis schlechthin. Olympia.

Es entspricht dem vielbeschworenen "olympischen Geist", dass teilnehmen kann, wer das zuständige Kommitee hoffen lässt, beim Wettstreit der Besten eine Medaille mitzubringen. Unabhängig von Haut-, Haar- und Augenfarbe, Geschlecht, Herkunft, Religion, undsofort, alle Menschen sind gleichrangig. Hier endlich geht es um Sport. Was zählt, ist die Fähigkeit zur Bestleistung.

Demselben "olympischen Geist" entspricht, dass Gastgeber sein kann, wer das zuständige Kommitee überzeugt, diesen Mega-Event sicher und reibungslos organisieren zu können. Unabhängig von Kontinent, Landessprache, Regierungsform oder Religion, alle Länder sind gleichrangig. Was zählt, ist Logistik, zugunsten bestmöglicher Vermarktung des Sports.

Zwar erscheint das hier etwas idealtypisch und verkürzt, aber eigentlich kommt es bei den Olympischen Spielen nur hierauf an : Alle vier Jahre messen sich irgendwo die besten Sportler der Welt. Punkt.

Natürlich ist nicht alles einfach eitel Sonnenschein. Hinter den Kulissen gibt es viele weitere Interessen. Natürlich spielen Geld und Eitelkeiten mit, es gibt Intrigen, Schiebereien, es wird gelogen, betrogen und verbogen. Die Hauptsache bleibt dennoch das Ziel, den Menschen dieser Welt schöne und spannende Spiele zu bieten. Im Mittelpunkt dieser Veranstaltung stehen dann, manchmal nur für wenige Sekunden, die Sportler. Um diese Menschen geht es, um ihre Mühen, ihre Leistungen. Das wird beim Wettstreit der Fähnchen gerne mal vergessen.

Natürlich sind Leistungssportler ein sehr eigenes Völkchen. Jedes einsame Mitglied hat eigentlich nur das bescheidene Ziel, mindestens einmal im Leben der/die Beste zu sein. Von Olympioniken dürfen wir erwarten, dass sie sprichwörtlich alles tun, um im entscheidenden Augenblick die beste sportliche Leistung der Welt zu erbringen. Naja, fast alles; bis auf das Verbotene und Verpönte eben (sofern es bekannt würde). Angesichts der Torturen, die sie durchstehen mussten, um überhaupt "dabei" sein zu dürfen, ist eigentlich allen eine Medaille zu gönnen.

Daher hätte ich hier eigentlich nur eine kleine gutgemeinte Bitte an die wohlmeinenden Sportsfreunde dieser Welt. Sie wird aufgrund des hohen Eigenwerts edler Ideale nicht erhört werden, aber gesagt sein soll sie doch.

Lasst Olympia in Ruhe.

Die Olympischen Spiele sind deshalb so interessant, weil es eben nicht die (beispielsweise) demokratischen Sport-Spiele der christlichen Rechtshänder sind, sondern weil sie für alle offen sind. Das gilt für Olympioniken, das darf auch für Gastgeber gelten. Also lasst bitte die armen Sportler ihren Sport betreiben, so gut sie es vermögen. Manche von ihnen können nur das.

Und wenn Ihr das nicht könnt, und wenn Ihr unbedingt etwas am Sport bessern müsst: Schafft endlich das elende Heucheln ab. Erlaubt Doping. Es findet ohnehin statt. Wer Sport auf so hohem Niveau betreibt, ruiniert sich ohnehin. Die vielen kleinen Pillchen, Infusiönchen und Pflästerchen sind nur eine sehr kleine Steigerung zum ohnehin stattfindenden Training, zur ohnehin stattfindenden Spezial-Ernährung. Öffnet den Sportsgeist und erlaubt allen Leuten alle Mittelchen. Kontrolliert das, dokumentiert es, macht es öffentlich. Verbannt die Schattendisziplin des Vertuschens, sagt öffentlich dazu, welches Pülverchen bei der entscheidenden Hunderstel-Sekunde, beim entscheidenden Zehntel-Millimeter mithalf. Und ändert die Regeln dahin, dass nur gewonnen hat, wer die Siegerehrung aufrecht und allem Anschein nach bei klarem Bewußtsein überlebt. Das wäre ehrlicher, sauberer Sport.

Dass das Reich der Mitte autoritär regiert wird, hindert übrigens deutsche Firmen weder am Investieren noch am Outsourcen. Es hindert deutsche Verbraucher auch nicht am Kauf billiger Kleidung, Technik und Spielsachen. Da nun aber so viele engagierte Menschen der artigen Bitte eines knuffigen Gottkaisers nachkommen und die fünften Olympischen Spiele in einem Lande mit humanistischen Defiziten für ihr eigen edel Statement nutzen, mag ich hier nicht zurückstehen. Also erklimmt der Autor sein eigen klein Misthäufchen, holt tief Luft und kräht wacker auch seine Botschaft hinaus in diese Welt, als ob die sich am Kikeriki orientieren würde:

Free Doping !

L e g a l i z e   i t …

 

August 2oo8