Ansichten eines  fast  normalen Bürgers
ein Kommentar von hajo. Dreyfuß
 
Die Bahn  --
eine verkannte Initiative
Man sollte meinen, die Aufgabe der Bahn bestünde im Transport von Personen und Gütern. Dann sollte dieser sicher, schnell und zuverlässig geschehen und dabei einen gewissen Komfort zu annehmbaren Preisen bieten.
Nehmen wir an, dies wäre nicht nur die Aufgabe der Bahn, sondern auch ihr Ziel. Nehmen wir zusätzlich an, diese Deutsche Bahn AG sei eine Transportfirma wie andere auch. Dann wäre ihr Geschäftsgebaren ruinös, ihr Umgang mit der eigenen Kundschaft katastrophal. Das Verhalten im Güterverkehr ließe nur die Vermutung zu, man wolle sich dieses Geschäftszweiges möglichst bald entledigen, oder zumindest den Transport von der Schiene auf die Straße verlagern.
Die langfristig regelmäßigen Berichte in den Medien, was man sich diesmal erdacht hat, um die Beliebtheit des Bahnverkehrs weiter zu senken, zeigen zudem ein bemerkenswert konstantes Preis-Leistungs-Verhältnis: Die Preise stets am oberen Rand dessen, was gerade noch bezahlt wird, die Qualität indes hart am unteren Rand dessen, was ohne massive Proteste hingenommen wird. Und wird tatsächlich einmal an einer Stelle etwas verbessert, wird es dafür an mindestens zwei anderen umso unbequemer.
Dieses Verhalten ließe sich vielleicht so erklären: Viele Menschen sind auf die Bahn angewiesen. Wo keine ernsthafte Konkurrenz besteht, gibt es wenig Grund, ein attraktives Service-Unternehmen sein zu wollen, das seine Dienstleistung angenehm und preiswert anbietet. Solange der Staat die Firma hält, braucht der reisende Steuerzahler nicht wirklich als Kunde ernstgenommen und als fahrender Gast umworben werden. Dem Staats-Haushalt ist besser gedient, wenn der notwendige Bedarf bei möglichst niedrigen Kosten halbherzig gedeckt wird.
Vielleicht gibt es aber noch eine andere Erklärung. Was wäre nämlich, wenn die bisher angenommenen Voraussezungen noch gar nicht vollständig waren? Verfolgt die Deutsche Bahn neben dem widerwilligen Transport von Gütern und Personen womöglich noch ein ganz anderes Ziel? Trotz vordergründiger Verbesserungen wird das Reisen per Bahn ja nicht attraktiver, ganz im Gegenteil: Die Summe der Grund- und Rahmen-Bedingungen steht dem entgegen, und die stets auftretenden Begleit-Erscheinungen und Neben-Effekte besorgen den Rest.
Bei näherer Betrachtung weist eigentlich alles auf ein unterschwelliges Bemühen hin, die Bahn langfristig so unbeliebt wie nur irgend möglich zu machen. Nehmen wir eimal an, dieses Verhalten hätte Methode, so kämen wir schnell zum eben vermuteten weiteren Ziel: Den Leuten den Individualverkehr nachhaltig schmackhaft zu machen. Wer die Bahn über eine gewisse Zeit näher kennenlernen durfte, weiß ein eigenes Fahrzeug erst wirklich zu schätzen.
Wenn ich annehme, die Deutsche Bahn stärke mit ihrem Gebaren systematisch den Automobil- und Straßenbau (und vermehre damit aktiv die Einnahmen aus Straßen-Gebühren sowie Fahrzeug- und Treibstoff-Steuern bei gleichzeitiger Senkung der eigenen Kosten dank geringer Nachfrage), dann endlich ergibt das Gesamt-Verhalten dieses Unternehmens durchaus einen Sinn. Daher betrachte ich die Annahme als bestätigt und erhebe meine Vermutung zur Behauptung:
Das Hauptziel der Bahn ist die Werbung für den Straßenverkehr.
P.S.: Bei mir hat die konstquente "Politik der nachhaltigen Vergrämung" ganz vorzüglich gewirkt: Nach nur zwei Jahren Bahn-Erfahrung reise ich sehr gerne ausschließlich mit dem Automobil.
November 2002